Neues Lehrer-Arbeitszeit-Modell auch in Hessen

sportunterricht 53 (2004), Heft 4, S. 121/122

Artikel von Herbert Stündl (DSLV Hessen)

Wie viele Stunden werden die Sportlehrkräfte in Hessen in Zukunft unterrichten müssen? So langsam beginnen die Kollegien zu merken, dass auch in Hessen intensiv über die Lehrerarbeitszeit allgemein und (besonders) auch über das korrekturarme Fach Sport diskutiert wird. Der DSLV hat als berufsständischer Verband aber längst gehandelt und zum Glück erste, sehr erfolgreiche Überzeugungsarbeit geleistet. 

Arbeitszeitmodelle in der Diskussion

Zum Schuljahr 2003/04 trat an Hamburgs Schulen ein neues Arbeitszeitmodell (AZM) in Kraft. Es basiert auf der Grundlage der 40-Stundenwoche im Hamburger öffentlichen Dienst (vorher 38,5) auf einer Jahresarbeitszeit einer Vollzeitbeschäftigten Lehrkraft von 1770 Stunden. Für den Unterricht und die unmittelbar damit verbundenen Aufgaben (Vor- und Nachbereitung, Korrekturen und fachspezifische Absprachen) setzt die Kommission 75% der Lehrerarbeitszeit an, für andere Aufgaben werden schulstufenspezifische und tätigkeitsbezogene Zeitfaktoren berücksichtigt. So werden beispielsweise für jede Mathematikstunde im Gymnasium (Sekundarstufe I) 15 Minuten für die Vor- und Nachbereitung, 7,5 Minuten für Eltern- und Schülergespräche, Klassen- und Zeugniskonferenzen, 7,5 Minuten für die Korrektur von Haus- und Schülerarbeiten und 14 Minuten für die Konzipierung und Korrektur von Klassenarbeiten berücksichtigt. Damit ergibt sich für eine Unterrichtsstunde ein fach- und schulstufenspezifischer Zeitaufwand von 1,5 Zeitstunden. Höhere Werte werden (bei diesem Beispiel hier in der Sekundarstufe I) für eine Deutschstunde (1,7) und die erste Fremdsprache (1,6) angesetzt, niedrigere Werte für Fächer wie Kunst und Musik (1,4) oder Sport (1,25) oder eine Unterrichtstunde in der Grundschule (1,3). 

Dazu kommen Wochenfaktoren für funktionsbezogene Aufgaben (zum Beispiel zwei Zeitstunden für die Klassenlehrertätigkeit in der Sekundarstufe I) und allgemeine Aufgaben (zum Beispiel 3,8 Zeitstunden für Konferenzen, schulische Veranstaltungen, Fortbildung, Aufsichten und Vertretung in der Grundschule). In der Summe kommt dann eine Vollzeit beschäftigte Grundschullehrerin bei einer Unterrichtsverpflichtung von 28 Wochenstunden (x Faktor 1,3 = 36,4 Stunden) mit dem Zuschlag für allgemeine Aufgaben (3,8 Stunden) und personenbezogenen Tätigkeiten als Sammlungsleiterin Sachkunde (1 Stunde), beim pädagogischen Mittagstisch (1,5), in der Schulkonferenz (0,5) und als Klassenlehrerin (3,5) in den 38 Unterrichtswochen auf eine Jahresarbeitszeit von 1774,6 Stunden und ist damit gegenüber der Jahresarbeitszeit von 1770 Stunden um 4,6 Stunden überbucht. Wenn die genannten personenbezogenen Faktoren nicht gegeben sind, erhöht sich die Unterrichtsverpflichtung. Dass die entsprechenden Regelwerke für alle Schulformen und Schulstufen dicke Bände füllen, versteht sich von selbst.

Folgen 

Alle schulischen Fächer werden in Hamburg mit einem so genannten Zeitfaktor bewertet und damit in eine Rangfolge gebracht. Den höchsten Zeitfaktor hat das Fach Deutsch mit 1,90, den niedrigsten das Fach Sport. Sport hat in allen Schulformen, mit Ausnahme der Handelsschule für Blinde und Sehbehinderte, und in allen Jahrgangsstufen, Klassen und Kursen mit 1,25 den niedrigsten Zeitfaktor. Selbst Musik und Kunst sind höher eingestuft als Sport. Damit ist Sport diskriminiert, das Fach ist Schlusslicht, es trägt den Stempel des weniger Wichtigen und sogar Überflüssigen, seine Lehrkräfte sind solche zweiter Klasse. 

Hamburg hat damit nicht nur sich selbst einen schlechten Dienst erwiesen, es hat auch leichtfertig eine Entscheidung getroffen, die in einer Schulsportkatastrophe enden kann.  Baden-Württemberg und Hessen 

In beiden Ländern gibt es noch kein neues Arbeitszeitmodell, aber Absichtserklärungen der Landesregierungen. Die Zielvorgaben lauten „mehr Realitätsnähe, Gerechtigkeit und Transparenz und ein zeitgemäßes Verständnis von Lehrerarbeitszeit“. Faktoren wie zum Beispiel Vor- und Nachbereitung sowie außerunterrichtliches Engagement müssten endlich ausreichend berücksichtigt werden: „Da Lehrkräfte für die Zeit außerhalb des Deputats die Entscheidungsfreiheit haben, wo und wann sie arbeiten, ist die von Lehrkräften geleistete Arbeit oft nicht transparent. Das Engagement dieser Berufsgruppe wird daher von der Öffentlichkeit oft nicht hinreichend anerkannt und geachtet.“ 

Eckpunkte der Neuregelung sind ein flexibles Deputat, das das Fach, die Klassenstufe, die Schulart, aber auch die Schwierigkeit der unterrichteten Klasse berücksichtigt, ein „Pflichtenheft für die Schule und die Lehrkraft“, in dem zentrale Aufgabenfelder definiert werden, und die Aufhebung aller Anrechnungen und Ermäßigungen. Sie sollen in einen Pool fließen, der der jeweiligen Schule zu Gute kommt: „So könnten zum Beispiel die Deputate, die in die Ermäßigungen fließen, zumindest teilweise dafür genutzt werden, Kolleginnen und Kollegen vom Unterricht zu entlasten und dafür mit anderen Aufgaben zu betrauen“. Rechnerische Grundlagen sind in Hessen die seit 1. 1. 2004 gültige 42-Stundenwoche für Beamtinnen und Beamte mit einer Jahresarbeitszeit von 1858 Stunden und ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen. 

Aktueller Stand in Hessen 

Die hessische Kommission zur „gerechteren“ Neuregelung der Lehrerarbeitszeit hat ihre Arbeit am 7. 10. 2003 aufgenommen. Der ursprüngliche Zeitplan (Ergebnis April 2004, 16 Schulen erproben das Modell im Schuljahr 2004/05, ab Schuljahr 2005/06 verbindlich für alle) wurde inzwischen revidiert. Wegen der Schwierigkeiten im Detail und der Abstimmung mit Baden-Württemberg werden hessische Ergebnisse erst im Sommer/Herbst 2004 vorliegen. Der Sportlehrerverband war von Anfang an mit engagierter Sacharbeit dabei.  

Das für uns Sportlehrkräfte wichtigste Ziel, eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Fächer untereinander zu verhindern, ist uns mit guter Argumentation und vielen vernünftigen Kommissionsmitgliedern gelungen. Gratulation dem DSLV – LV Hessen! 

So richtig und wichtig das Resultat für den Schulsportunterricht ist, so ist es gleichzeitig auch eine große Verpflichtung für alle Sportlehrkräfte, die hohe Bedeutung dieses Bewegungsfaches durch engagierte Arbeit täglich zu beweisen. 

Es wäre schön, wenn dieses Ergebnis noch mehr Kolleginnen und Kollegen dazu bewegen könnte, Mitglied im Verband zu werden. Gleichzeitig hoffen wir, dass dieses positive hessische Zeichen auch in allen anderen Bundesländern wahrgenommen wird.

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